Philip Wolf ist Gründer von Phocuswright und einer der einflussreichsten Menschen in der Touristikbranche. Er sprach auf dem Criteo Travel Connect Event in Barcelona mit uns darüber, wie Reiseanbieter in der heutigen Welt der schier unendlichen Möglichkeiten langfristig am Markt agieren und erfolgreich sein können.
Was sind deine Erfahrungen aus 30 Jahren in der Touristikbranche?
Betrachtet man die Geschichte der Branche, dann zeigt sich eine ausgesprochen schlechte Erfolgsbilanz bei der Erkennung von Verhaltensänderungen. Das lässt die Tür für Disruptoren offen.
1991 feierte ich als junger Geschäftsführer eines kleinen, Venture-finanzierten Reisebüros die erste durchgehend online durchgeführte Buchung meines Unternehmens. 1992, drei Jahre bevor es das World Wide Web überhaupt gab, gründete ich Phocuswright, ein Marktforschungsunternehmen, dass sich vorrangig mit der Analyse des Online-Touristikgeschäftes befasst.
Damals verschlossen die meisten Menschen vor den aktuellen Entwicklungen die Augen. Sie waren davon überzeugt: Digital würde niemals funktionieren. Ich wurde sogar einmal aus einem Meeting mit einem herkömmlichen Reiseanbieter geworfen.
Und wie sieht die Situation heute aus? In der Touristikbranche werden weltweit 1,4 Billionen US-Dollar pro Jahr umgesetzt. Die Hälfte davon über Online-Buchungen.
Was sollten die heutigen Reiseunternehmen tun, um nachhaltiges Wachstum sicherzustellen?
Sie müssen natürlich großartige Produkte anbieten. Und sie müssen sich intensiv mit den Bedürfnissen ihrer Kunden auseinandersetzen und eine Technologie finden, die diese Bedürfnisse bedient. Es kommt darauf an, zu begreifen, dass Technologie ein Differenzierungsmerkmal ist, nicht nur ein reines Werkzeug.
Um die unternehmensweite intensive Beschäftigung mit den Kunden zu erreichen, muss der Produktleiter zu den wichtigsten Führungspersönlichkeiten eines Unternehmens gehören. Die Funktion des Produkts ist hierbei der wichtigste Faktor.
Was ist der beste Weg, um sich in der Reisebranche von den Mitbewerbern abzusetzen?
Um Jeff Bezos zu paraphrasieren: Muss man bereit sein, missverstanden zu werden, wenn man mit Innovationen erfolgreich sein will. Dazu gehört auch, dass man bereit sein muss, sich anschreien zu lassen. Die meisten Menschen sind es nicht. Unternehmen, die bereit sind, dieses Risiko einzugehen, bietet sich dadurch eine Chance.
Ich sitze zum Beispiel im Verwaltungsrat eines Unternehmens namens Hopper. Sie operieren einzig über ihre App. Kein mobiles Web, kein Desktop. Die meisten Online-Anbieter würden sagen: „Das können wir nicht tun!“ Dennoch verzeichnet Hopper seit geraumer Zeit App-Downloads in großer Zahl, die vor allem durch das Interesse der Nutzer und nicht durch kostenintensives Marketing generiert werden.
Außerdem muss man bereit sein, das eigene Unternehmen zu kannibalisieren. Hier ist eine gute Übung: Schließt die Augen und erfindet ein Produkt, dass eine Konkurrenz für euer Geschäft darstellen würde. Dann geht mit diesem Produkt an den Markt, bevor euch jemand anderes zuvor kommt.
Warum ist es gerade für Unternehmen aus der Touristikbranche wichtig, wendig zu sein?
Unternehmen müssen flexibel sein, weil es unmöglich ist, alles von Anfang an richtig zu machen. Ich begreife nicht, warum wir uns so schwer damit tun, das zu verstehen. Man mag zwar manchmal schon lange erfolgreich sein, doch irgendwann zeigt sich: Nur weil etwas in der Vergangenheit gut funktioniert hat, ist das kein guter Indikator für zukünftige Erfolge.
Man denke nur an Kodak. Das Unternehmen gehörte mal zu den fünf bekanntesten Marken weltweit. Sie haben sogar die Digitalkamera erfunden! Warum sind sie dann nach 100 Jahren zufriedener Kunden gescheitert? Sie gingen pleite, weil die Führungsebene so arrogant war zu glauben, das Unternehmen sei zu groß, um zu scheitern.
Was sollten wir 2020 beachten?
Strategisch korrekt schlägt immer politisch korrekt. Eine kritische Kurskorrektur ist zu verschmerzen, vergleicht man diese mit den Kosten, die entstehen, wenn man untätig im Status Quo verharrt. Wenn man Risiken eingeht, treten die zuvor befürchteten schlimmsten Folgen nur äußerst selten tatsächlich ein.
Wollt ihr noch mehr Insights aus der Reisebranche? Dann solltet ihr euch unbedingt die Criteo Global Green Traveler Study ansehen.