Googles Ankündigung, bis 2022 im Browser Chrome vollständig auf Drittanbieter-Cookies zu verzichten, hatte eine Schockwelle durch die gesamte Werbebranche gesandt. Dabei handelt es sich nur um die letzte einer Reihe von Vorschriften und Einschränkungen im Namen des Verbraucherschutzes. Ob man es nun „Cookiecalypse“ oder „ID-Revolution“ nennt: Die digitale Werbung durchläuft einen massiven Wandel.
Dieser Wandel wird dazu führen, dass Konsumenten mehr Transparenz und Kontrolle darüber erhalten, welche Daten sie teilen und wie diese verwendet werden. Doch Verbraucher wünschen sich nicht nur besseren Datenschutz, sondern für sie relevante Werbung.
Laut der DISQO Ad Relevance Survey wünschen sich 82 Prozent der Befragten relevante Werbung.1 Werbetreibende fragen sich jedoch, wie sie dieses Bedürfnis ohne Drittanbieter-Cookies weiterhin erfüllen sollen.
In diesem Mini-Handbuch – einer Ergänzung zum „Handbuch digitale Werbung 2021: Budgets und Kanäle richtig auf die neue Customer Journey abstimmen– beschäftigen wir uns mit den Optionen zum Zielgruppen-Targeting und weiteren Maßnahmen, mit denen Werbetreibende auch in Zukunft sowohl den Datenschutz sicherstellen als auch personalisierte Werbung bieten können.
Drei Szenarien für das Zielgruppen-Targeting der Zukunft
Noch steht das genaue Datum nicht fest, an dem Google Drittanbieter-Cookies aus dem Chrome-Browser verbannt. Möglicherweise geschieht dies erst nach 2022. Doch hier ist die aktuelle Timeline:
In jedem Fall wird es also in naher Zukunft einen Bedarf an Werbung geben, die ohne Drittanbieter-Cookies auskommt.
In einer Post-Cookie-Welt können Werbetreibende die folgenden Zielgruppen-Targeting-Szenarien nutzen, um weiterhin Verbraucher zu erreichen und zur Conversion zu motivieren:
Adressierbar
Eine adressierte Zielgruppe besteht aus bekannten Besuchern sowie Kunden, die zugestimmt haben, personalisierte Werbung zu erhalten.
Da sie bekannt sind (in der Regel durch eine E-Mail-Adresse), könnt ihr auf der Grundlage des Online-Verhaltens und der Transaktionen 1:1-Kommunikation bereitstellen.
Sowohl heute als auch in einer Zukunft ohne Drittanbieter-Cookies dreht sich beim Aufbau einer adressierbaren Zielgruppe alles um das Sammeln von First-Party-Daten sowie das Einholen von Einwilligungen zur Nutzung dieser Daten. Da die Verbraucher in Zukunft selbst entscheiden, mit wem sie ihre Daten teilen, ist es wichtig, jetzt wirkungsstarke Werbung zu schalten, die den Interessen der Angesprochenen entspricht.
Solange es noch Drittanbieter-Cookies gibt, solltet ihr alle Signale nutzen, die diese liefern, um sinnvolle Werbeerlebnisse zu schaffen, die die Nutzer auch in Zukunft gerne erhalten möchten. Je mehr Kunden sich bereits heute dazu bereit erklären, desto größer ist die adressierte Zielgruppe, die euch in Zukunft zur Verfügung steht.
Kohorte
Kohorten-Zielgruppen sind Googles Ansatz für das Werbe-Targeting in Chrome ohne Drittanbieter-Cookies.
Kohorten sind Gruppen von Verbrauchern mit denselben Interessen, basierend auf ihrem Online-Verhalten. Sie sind als Gruppen gedacht, die groß genug sind, damit die Individuen anonym bleiben; deshalb verwendet dieser Ansatz gemeinsame Interessen anstelle von individuellen IDs.
Für Werbetreibende bedeutet dies, dass sie Werbung erstellen müssen, die auf das jeweilige Interesse zugeschnitten ist (z. B. Mountainbikes), anstatt personalisierte Ads zu schalten (für das orangefarbene Trek Roscoe 8, das ein Kunde kürzlich angesehen hat).
Google und andere in der Werbebranche arbeiten noch an der genauen Umsetzung von Kohortenwerbung in Chrome. Damit dieser Ansatz jedoch effektiv ist, müssen vier Schlüsselbereiche adressiert werden:
Zielgruppenerstellung
Werbetreibende müssen in der Lage sein, Interessengruppen zu erstellen, die die Verbraucher erreichen, die am ehesten kaufen werden. Idealerweise sollten sie daher in der Lage sein, Zielgruppen mit ähnlichen Interessen miteinander zu teilen, um neue Zielgruppen aufzubauen.
Technische Umsetzung
Um ressourcenintensive Strategien wie Video zu ermöglichen und um sicherzustellen, dass Auktionen und Datentransfer optimiert und datenschutzkonform sind, werden Gatekeeper benötigt.
Erfolgsmessung
Werbetreibende benötigen Reporting praktisch in Echtzeit, um Chancen zu erkennen und Kampagnen zu optimieren.
Betrugsprävention
Die Lösung von Google schlägt vor, das Targeting und die Ad-Auktion innerhalb des Browsers abzuwickeln. Es besteht jedoch die berechtigte Sorge, dass dies das System für Hacker öffnen könnte – speziell angesichts der immer wieder auftretenden Sicherheitslücken in Browsern. Andere Ansätze, wie das SPARROW-Proposal von Criteo, regen an, einen unabhängigen Gatekeeper für die Verwaltung der Daten und die Auktion einzusetzen. In jedem Fall müssen Maßnahmen ergriffen werden, um Hackerangriffe zu verhindern und Brand Safety zu gewährleisten.
Kontextbezogen
Contextual Targeting ist eine Cookie-freie Lösung, die es schon seit Jahren gibt, die aber jetzt wieder an Aufmerksamkeit gewinnt.
Contextual Targeting ordnet eine Ad einer spezifischen Seite auf einer Webseite zu, und zwar basierend auf dem Inhalt dieser Seite. Das Ziel ist es, Menschen mit Werbung anzusprechen, die für den von ihnen konsumierten Content relevant ist – zum Beispiel die Schaltung einer Ad für Laufschuhe auf einer Seite über das richtige Training für den Marathonlauf.
Für erfolgreiches Contextual Targeting ist jedoch ein vertieftes Verständnis der Denkweise eines Website-Besuchers notwendig, um die richtige Werbung an der richtigen Stelle zu platzieren. Glücklicherweise haben Fortschritte in der Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) und im Machine Learning unsere Fähigkeit, den Kontext und die Stimmung jeder Seite automatisiert zu analysieren, stark verbessert. Dazu gehört nicht nur die Textanalyse, sondern auch das Scannen und Verstehen von Bildern und Videos.
Darüber hinaus gibt es auch große Fortschritte bei der Zuordnung von Signalen zum Produktinteresse auf den einzelnen Seiten – basierend auf den der jeweiligen URL zugeordneten Transaktionen. Mit diesen Informationen können Advertiser Werbung auf Websites und ihren Unterseiten schalten, die sowohl kontextuelle Relevanz als auch eine hohe Affinität zum jeweils beworbenen Angebot aufweisen.
All dies verbessert die Werberelevanz und eröffnet kontextbezogene Möglichkeiten auch in anderen Kanälen wie Video und CTV.
So können Werbetreibende bereits heute aktiv werden
Werbetreibende müssen sich nicht nur mit Cookie-freiem Zielgruppen-Targeting auseinandersetzen. Sie stehen auch vor der Herausforderung, neue Praktiken einzuführen, mit denen sie ihre Werbestrategie zukunftssicher gestalten können. Mit den folgenden vier Schritten könnt ihr euch auf das Ende von Drittanbieter-Cookies vorbereiten:
Beginnt mit dem Testen von Lösungen ohne Cookies
Die folgenden Strategien sind allesamt Möglichkeiten, um Verbraucher bereits heute anzusprechen, ohne sich dabei auf Drittanbieter-Cookies verlassen zu müssen. Ihr solltet bereits jetzt mit dem Testen anfangen, um zu verstehen, welches Budget notwendig ist und welche Reichweite bzw. Performance ihr von den einzelnen Ansätzen erwarten könnt.
- Connected TV (CTV) Werbung: Für das Zielgruppen-Targeting nutzt ihr die First-Party-Daten der OTT- bzw. CTV-Anbieter.
- Contextual Targeting: Ihr schaltet Werbung auf Seiten und in Kontext-Kategorien, die am besten zu eurer Brand passen.
- Retail Media: Ihr sprecht Kunden am digitalen Point of Sale auf den führenden Retail-Websites an.
Benchmark der Opt-in-Raten für Verbraucher
Überwacht eure Cookie-Opt-In/Opt-Out-Raten, da diese Informationen einen guten Indikator für zukünftige Opt-In-Raten für adressierbare Werbung darstellen. Damit könnt ihr die richtige Kombination aus kohorten- und kontextbezogener Werbung ermitteln, die ihr benötigt, um Verluste in eurer direkt adressierbaren Zielgruppe auszugleichen.
Baut Vertrauen auf und bietet einen Mehrwert, um eure Opt-in-Raten zu steigern
Der aktuelle Wandel der Werbebranche soll das Gleichgewicht wiederherstellen und den Verbrauchern mehr Kontrolle über ihre Daten geben. Unternehmen, die dies positiv annehmen und den Menschen auf datenschutzkonforme Weise die Kontrolle über ihre Werbeerfahrung geben, gewinnen mehr loyale Kunden.
Damit – und mit der Bereitstellung sinnvoller Werbung in jeder Phase der Customer Journey – stellt ihr sicher, dass ihr zu einem Unternehmen werdet, bei dem sich die Kunden gerne registrieren.
Im Rahmen einer Post-DSGVO-Studie von Deloitte gaben 60 Prozent der Verbraucher an, dass sie bereit wären, ihre Daten im Austausch für Rabatte oder andere personalisierte Vorteile zu teilen.2 Ihr solltet auch mit den Arten von Belohnungen experimentieren, um herauszufinden, was bei euren Kunden am besten ankommt.
Definiert neue OKRs (Objectives and Key Results – Zielvorgaben und Schlüsselergebnisse)
Zusätzlich zu den üblichen Metriken wie CLV und ROAS müssen Werbetreibende OKRs rund um ihre Bereitschaft für Post-Cookie-Werbung festlegen, darunter:
- Compliance: Die DSGVO wird sich weiter entwickeln; Verschiebungen innerhalb der EU machen die Situation noch komplizierter (z. B. Brexit). Der CCPA (California Consumer Privacy Act) ist im letzten Jahr in Kraft getreten; der umfassendere CPRA (California Privacy Rights Act) folgt 2023. Ihr müsst also unbedingt sicherstellen, dass euer Umgang mit Daten diesen Vorschriften entspricht.
- Sammlung von First-Party-Daten: Konzentriert euch auf Kampagnen und Content, die euch helfen, so viele First-Party-Daten wie möglich zu sammeln und so eure adressierbare Zielgruppe aufzubauen. Laut dem „2021 Customer Engagement Report“ von Merkle sagen 88 Prozent der Werbetreibenden, dass das Sammeln von First-Party-Daten eine Priorität für 2021 darstellt.3
- Kundentreue: Wenn ihr eure Kunden bittet, sich für personalisierte Werbung zu entscheiden, kommt es entscheidend darauf an, ihnen den Wert eurer Produkte oder Dienstleistungen zu vermitteln. Dann sind sie eher bereit, ihre Daten im Austausch für personalisierte Nachrichten bereitzustellen. Sprecht neue und ehemalige Kunden an und sucht nach Möglichkeiten, euer Kundenbindungsprogramm zu optimieren.
Budgets und Kanäle richtig auf die neue Customer Journey abstimmen
Wenn ihr den ersten Teil des „Handbuchs digitale Werbung 2021“ noch nicht gelesen habt, könnt ihr ihn hier herunterladen. Darin stellen wir Daten und Werbestrategien vor, die euch helfen, eurer Budget kanalübergreifend zu verteilen, und wir zeigen euch, wie ihr Themen wie Datenschutz, Markensicherheit und Diversifizierung der Werbeausgaben optimal adressiert.
1DISQO Ad Relevance Survey, USA, Mai 2020, n=999
2Deloitte: General Data Protection Regulation (GDPR) Survey, global, n=1,650
3Merkle: 2021 Customer Engagement Report, USA & GB, n=800