Weltweit bilden sich in der Folge der Corona-Pandemie neue Verhaltensmuster und Trends heraus. Bis Ende März sind mehr als 3,38 Milliarden Menschen, das sind etwa 43 Prozent der Weltbevölkerung, aufgefordert oder angewiesen worden, Maßnahmen zum sogenannten Social Distancing zu befolgen.1
Social Distancing ist zur Normalität geworden. In New York City, dem derzeitigen Epizentrum der COVID-19-Pandemie, ist der Times Square menschenleer und über den Straßen der „Stadt, die niemals schläft“ liegt eine unheimliche Ruhe. In Barcelona ist kein Mensch in den sonst so belebten Las Ramblas. Ähnlich verwaist sind die Champs-Élysées in Paris, die Spanische Treppe in Rom und der Central Business District in Singapur.
Criteo verfügt über Niederlassungen auf der ganzen Welt. So konnten wir an vielen Orten die Auswirkungen von Social Distancing aus erster Hand erleben. Wir analysieren die Verbrauchertrends während der Corona-Pandemie. Dabei arbeiten wir eng mit Unternehmen aus allen von den Veränderungen betroffenen Branchen zusammen.
In der vergangenen Woche haben wir darüber berichtet, wie sich die Corona-Pandemie auf den Verkauf von Unterhaltungselektronik, Haustierbedarf und frischen Lebensmitteln auswirkt. In dieser Woche haben wir unsere Daten erneut analysiert, um herauszufinden, welche Auswirkungen Social Distancing auf das Kaufverhalten der Menschen hat.
Social Distancing & die neue Normalität
Präventive Strategien wie die Einschränkung von Reisen und die Absage von Massenveranstaltungen – einschließlich Hochzeiten, Sportveranstaltungen und Live-Konzerten – wurden in den vergangenen Wochen in immer größerem Maße umgesetzt. Social oder besser Physical Distancing (das gesellschaftliche Leben findet online ja noch immer statt) prägt jetzt unseren Alltag. Daraus ist etwas entstanden, das wir „Social Distancing Economy“ nennen, also eine von Social Distancing geprägte Wirtschaft.
Hier bei Criteo analysieren wir Daten aus mehr als 80 Ländern und von über zwei Milliarden aktiven Käufern pro Monat. Diese Daten stammen von 20.000 Einzelhändlern, die mit Criteo zusammenarbeiten.2 Mit unseren Erkenntnissen wollen wir Unternehmen dabei unterstützen, wie sie aktuell Kunden erreichen und Werbekampagnen entwickeln können, die ihnen bieten, was sie in diesen Zeiten wirklich brauchen.
Letztendlich gibt es kein Unternehmen, das die Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht spürt. Einige Branchen erleben derzeit einen kompletten Stillstand, während andere erhebliche Höhen und Tiefen durchlaufen.
Um zu verstehen, warum, sollten wir einen Blick auf das Gesamtbild werfen.
COVID-19 sorgt für eine massive Verlagerung des Retail-Geschäfts von Offline nach Online
Akamai, ein Web-Dienstleistungsunternehmen, berichtete Anfang des Monats, dass der tägliche Web-Traffic um 50 Prozent gestiegen ist. In einer kürzlich von Criteo durchgeführten Umfrage unter mehr als 10.000 Konsumenten weltweit gaben mehr als die Hälfte an, wegen der Corona-Pandemie mehr online einzukaufen.3
Das obige Diagramm, das die Daten von Omnichannel-Retailern im Bereich Haushaltswaren und Bekleidung zeigt, veranschaulicht die wachsende Kluft zwischen dem Verkauf im stationären Handel und online. In den USA stiegen die Online-Verkäufe in der vergangenen Woche um 91 Prozent – ohne Berücksichtigung von verpackten Konsumgütern wie Lebensmitteln – was darauf hindeutet, dass die Menschen trotz Ladenschließungen noch immer auch andere Produkte kaufen als Lebensmittel oder Toilettenpapier.
Hier unsere Beobachtungen der vergangenen Woche:
1. Der Verkauf von Süßwaren ist gestiegen
Zu Beginn der Quarantäne kauften die Menschen vermehrt haltbare Lebensmittel wie Konserven, Reis und Mehl sowie mehr frisches Obst und Gemüse. In der vergangenen Woche haben es mehr nicht essentielle Produkte in den Mix geschafft.
Die Umsätze mit Süßwaren und Schokolade legten stark zu. In Großbritannien (+779 %) und Italien (+736 %) versiebenfachten sie sich gegenüber den ersten vier Wochen des Januar. Die Verkäufe in Brasilien und Frankreich stiegen jeweils um 146 Prozent.
In Spanien stiegen die Verkäufe von Süßigkeiten und Schokolade um 301 Prozent, vielleicht als Kontrapunkt zu dem Anstieg, den wir bei Fleisch, Eiern und Meeresfrüchten gesehen haben (+989 %).
2. Anstieg der Sales von Freizeitkleidung
In der jüngsten Umfrage von Criteo gaben 60 Prozent der Befragten an, dass sie aufgrund der Corona-Pandemie mehr Arbeit im Homeoffice erledigen wollen3 – und sie greifen nach bequemer Kleidung. Die Software für Videokonferenzen erlaubt es recht einfach, den Bildausschnitt so zu gestalten, dass die Gesprächspartner nur Brust und Kopf sehen. Daher ist es nicht mehr notwendig, bei geschäftlichen Besprechungen formellere Kleidung wie Röcke, Hosen oder sogar Jeans zu tragen.
In den USA waren Skorts (Röcke mit eng anliegender Innenhose) (+336%) und kurze Hosen (+330%) die Spitzenreiter, da für die Amerikaner Kleidung nicht nur bequem sein sollte, sondern auch für wärmere Wetterlagen geeignet. Auch in Großbritannien (+167 %), Deutschland (+244 %) und Italien (+77 %) kam es zu einem deutlichen Anstieg der Umsätze mit kurzen Hosen.
In Japan stiegen die Sales von Aktivbekleidung um 45 Prozent.
Das Geschäft mit Schlaf- und Freizeitbekleidung legte in Südkorea (+201 %), Großbritannien (+130 %), Brasilien (+85 %), Italien (+55 %) und Australien (+31 %) kräftig zu.
3. Das Sportartikel-Geschäft erlebt ein kräftiges Plus
Eine wachsende Zahl von Fitnessstudios bleibt wegen der Maßnahmen zum Social Distancing vorübergehend geschlossen. Viele Verbraucher stehen daher vor der Frage, wie sie gesund und in Form bleiben können, ohne das Haus zu verlassen oder besonders weit gehen zu müssen.
Die Nachfrage nach Inlineskates und Rollschuhen stieg in Deutschland (+983 %) und in den USA (+878 %). In beiden Ländern unterliegt der Aufenthalt im Freien starken Beschränkungen. In Deutschland ist der Aufenthalt im Freien zum Sporttreiben in den meisten Bundesländern noch gestattet, wenn auch nicht in Gruppen.
In Australien hat der Umsatz mit Produkten für Krafttraining rasant zugelegt (+1211 %). Viele Australier statteten auch ihr privates Fitnessstudio mit Hantelbänken aus: Diese erlebten ein Sales-Plus von 1197 Prozent.
In Italien stiegen die Verkäufe von Produkten aus den Bereichen Training und Fitness um 533 Prozent, während in Großbritannien Umsätze mit Sportartikeln insgesamt um 466 Prozent zunahmen.
4. Webcams und Gaming starten durch
Um das Gefühl der Isolation und der Langeweile zu bekämpfen, das mit Social Distancing einhergeht, geben die Konsumenten Geld für Produkte aus, die ihnen helfen, in Verbindung zu bleiben, und die Unterhaltung bieten.
Die Verkäufe von Webcams stiegen in Frankreich um 1.633 Prozent, in Deutschland sogar um 2.418 Prozent. Auch in den USA (+352 %) und in Australien (+544 %) stiegen die Verkäufe deutlich an.
Die Sales von Videospielen stiegen in Spanien (+185 %), Großbritannien (+158 %), Italien (+146 %), den USA (+131 %) und Australien (+138 %) deutlich an.
Am vergangenen Sonntag legten die Verkäufe von Gaming-Produkten (dazu gehören auch Konsolen und anderes Zubehör) in Großbritannien (+508 %), Spanien (+231 %) und Australien (+230 %) deutlich zu.
Wie sollten Brands über Social Distancing denken?
Unsere neue Social Distancing Economy zeigt, dass die Konsumenten vermehrt Geld für Produkte ausgeben, die nicht mehr essenziell sind, aber die Lebensqualität steigern sollen. Wie unsere Daten zeigen, passen immer mehr Menschen ihr Leben darauf an, mehr Zeit zu Hause und in Innenräumen zu verbringen. Die Konsumenten begreifen immer besser, dass die aktuelle Situation noch eine Weile anhalten kann. Deshalb wenden sie sich Produkten zu, die ihnen Komfort und Unterhaltung bieten.
Social Distancing verändert zudem, wie die Menschen miteinander und mit Unternehmen interagieren. Für uns Werbetreibende ist es essenziell, diese neuen Realitäten anzuerkennen und unsere Kampagnen entsprechend anzupassen.
1. Gestaltet relevante Creatives.
Es ist entscheidend, für eure Kunden präsent zu bleiben. Zudem solltet ihr darüber nachdenken, wie ihr eure Angebote für diese Zeit am besten darstellt. Menschenmengen oder gar Aktivitäten im Freien sollten am besten aus der Bildwelt der Werbung verschwinden und ersetzt werden durch Bilder und Produkte, die zu einem Leben in Innenräumen passen.
2. Konzentriert euch auf Produkte, die zu Social Distancing passen bzw. dieses unterstützen.
Welche Produkte passen am besten zu einem von Social Distancing geprägten Alltag? Konsumenten verbringen mehr Zeit zu Hause und mit ihrer Familie. Ihr solltet daher darüber nachdenken, welche eurer Produkte in dieser Situation ein positives Erlebnis schaffen können.
3. Informiert euch regelmäßig.
Stellt sicher, dass ihr wenigstens wöchentlich Zugang zu aktuellen Informationen und Marktanalysen habt. Das hilft euch nicht nur dabei, euch an die aktuell immer wieder rasant veränderte Situation anzupassen. Ihr versteht zudem, wann sich das Leben wieder normalisiert.
4. Baut Kundenbeziehungen auf
Mit dem richtigen Messaging und Branding können Marken Beziehungen zu Kunden aufbauen, die zu einer nachhaltigen Kundenbindung führen. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage gaben 42 Prozent der befragten Konsumenten an, dass sie es für in Ordnung halten, wenn auch die Werbung die Corona-Pandemie thematisiert. Etwa die Hälfte (44 %) gab an, dass es dabei auf die Botschaft und/oder die Marken ankommt. Drei Viertel der Verbraucher denken zudem, dass Brands in der Pflicht sind, während der Pandemie zu helfen. Die Ads, die am meisten auf Resonanz stießen, konzentrierten sich auf Widerstandsfähigkeit und Einigkeit.
Die Zukunft
Alle Werbetreibenden sollten die Realitäten der Social Distancing Economy anerkennen. Wir analysieren auch weiterhin unsere Daten in Hinblick auf die Veränderung der Kaufgewohnheiten. Die so entdeckten Wachstumsbereiche zeigen auf, was unsere neue Normalität ausmacht. Personalisierte Werbekampagnen helfen den Konsumenten zu finden, was sie in dieser Zeit wirklich brauchen. Werbetreibende können so nicht nur mit ihrer Zielgruppe in Kontakt bleiben, sondern gleichzeitig stärkere Beziehungen für die Zukunft aufbauen.
1 Quelle: AFP Datenbank, 29. März 2020
2 Quelle: Online-Sales und Online-Buchungen, Daten von Criteo, Q1 2019 und Q1 2020. Mindestens 5 Retailer/Reiseveranstalter auf der granularsten Ebene.
3 Quelle: Criteo-Umfrage zum Corona-Virus, USA, März 2020, N=10.204.